Münchener Geschichten 

 

Hier finden Sie Geschichten von 

 

Familie Berger

Familie Graf

Familie Jordan

Familie Ursprung

Familie Michels

Familie Baldauf, Michels, Löffler

Familien aus der Baaderstraße 15

Erinnerung an jüdische Kaufhäuser

Familie Gutman

FAMILIE BERGER

DMAO München, 3. Mai 2020, Thierschstrasse 46

Kurt Berger, geboren am 11.10.1916 in München, war Schüler des Wilhelmsgymnasiums. 1936 legte er dort Abitur ab und studierte ab 1937 in Prag. Ab Ende 1938 bemühte er sich vergeblich in die USA zu emigrieren. Kurt Berger gilt seit 24.1.1942 als im Lager Stiavnika /Slowakei verschollen. Einige seiner Mitschüler haben ähnliche Schicksale erlitten. Das älteste Gymnasium Altbayerns, das Wilhelmsgymnasium München in der Thierschstrasse 46, das in seinen "Glanzzeiten" zu Beginn des 20. Jahrhunderts jährlich von bis zu 65 jüdischen Schülern besucht wurde (insgesamt knapp über 600), wurde - wie alle Gymnasien - nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten systematisch "judenfrei" gemacht. Ab 1933/34 besuchten nur noch 24 jüdische Schüler das Wilhelmsgymnasiums.
Aus der ausführlichen Recherche von Peter Kefes, früher selbst Lehrer am Wilhemsgymnasium, stellt sich nun heraus, dass insgesamt 63 ehemalige jüdische Schüler und 3 Lehrer des Wilhemsgymnasiums durch nationalsozialistische Gewalt ermordet wurden.

Foto Wikipedia Creative Commons

 

FAMILIE GRAF

DMAO München, 3. Mai 2020, Mandlstraße 28 und Gedenkstätte Weiße Rose Stiftung e.V.

Im Haus Mandlstraße 28 lebten Willi Graf und seine Schwester Anneliese bis zu ihrer Verhaftung am 18. Februar 1943 durch die Gestapo. Willi Graf wurde im zweiten Volksgerichtshofprozess gegen die Weiße Rose am 19. April 1943 zum Tode verurteilt und am 12. Oktober 1943 im Gefängnis Stadelheim mit dem Fallbeil hingerichtet.
‘Willi Graf übte auf geistiger Ebene Widerstand und war an direkten Aktionen der Weiße Rose Gruppe beteiligt, sprich an den Graffiti Anbringungen, die mit sehr persönlichen Risiken verbunden waren’. Mehr dazu auf dem Video.

 

 

https://de-de.facebook.com/denkmalamort/videos/170055114289363/

 

 

 

 

FAMILIE JORDAN

DMAO München, 3. Mai 2020, Mauerkircherstraße 13

Michael Hansch: "Zur Erinnerung an Paula (geb. Frank) und Fritz (Siegfried) Jordan.
Im Februar 2020 fuhr ich nach Manchester GB zur Beerdigung von Peter Jordan, der im Alter von 96 Jahren gestorben war. Es war sehr bewegend und traurig! Ich hatte ihn und seine Frau Dorothy ein Jahr zuvor besucht und wir alle hofften uns dieses Jahr wieder zu sehen und noch tiefer in die Familiengeschichte der Franks und Jordans einzutauchen.
Peter war der Sohn von Paula und Fritz Jordan und der Cousin meiner Mutter Hannelore Hansch (geb. Gebhardt). Er war in der Mauerkircherstraße 13 in München aufgewachsen. Sein Vater, Fritz Jordan, betrieb in München eine erfolgreiche Kunstgalerie. Fritz war auch ein begeisterter Skifahrer in den bayerischen Alpen, wozu er seine Frau Paula und den kleinen Peter häufig mitnahm. Die bürgerliche Wohnung in der Mauerkircherstraße im 3. Stock war der Ruhepunkt der Familie.
Natürlich war mit dem Machtantritt der Nazis die Situation der jüdischen Familie immer stärker belastet. Trotzdem konnten sich die Eltern nicht entscheiden aus dem geliebten Bayern auszuwandern, was den Geschwistern noch rechtzeitig gelang, u.a. auch meiner Großmutter, Thea Gebhardt, die durch den frühen Tod ihres nicht-jüdischen Mannes nicht mehr in einer sog. `geschützten Ehe´ lebte. Fritz und Paula Jordan gelang es in Mai 1939 den 15-jährigen Sohn Peter einen Transit nach England zu verschaffen. Zwei Jahre später, half auch seinen Eltern der Hinweis auf die Teilnahme von Fritz am I. Weltkrieg und Paulas jahrelanger freiwilliger Dienst in Lazaretten Kriegsversehrter nicht mehr. Die Nazis hatten Ende der 30er Jahre wohl schon die Vernichtung der Juden in ihrem Herrschaftsbereich ins Visier genommen. So wurden Paula und Fritz Jordan mit weiteren 1000 Münchner Juden in einem der ersten Züge in November 1941 nach Kaunas (Litauen) transportiert und dort wenige Tage später im berüchtigten Fort IX erschossen.
Die Wohnung in der Mauerkircherstraße 13 wurde von den Nazis in Beschlag genommen und erst 1949 gelang es meiner Großmutter Thea aus der Emigration heraus die Wohnung der Jordans, mit der Auflage mehrere Untermieter aufzunehmen, als “Entschädigung” zu mieten. Thea lebte dort mit ihrer Tochter Ursula, meiner Tante, bis Anfang der 60er Jahre. Peter, der Architekt in Manchester geworden war, hat sie dort oft besucht und immer das geliebte Roggenbrot mit nach Manchester genommen. Auch ich habe Thea dort mit meiner Familie oft besucht.
Die Stolpersteine für die Eltern von Peter, die 2004 gelegt wurden, mussten aber ein paar Wochen später wieder ausgegraben werden. Erst nach 15-jährigen Kampf um diese Erinnerungsform hat die Stadt München als Kompromiss eine Stele vor dem Wohnhaus installieren lassen, die an Paula und Fritz Jordan und ihr Schicksal erinnern. Das hat Peter Jordan noch erleben können. Er ist im hohen Alter 2018 extra aus Manchester zur Einweihung in die Mauerkircherstraße 13 angereist.

Es bliebe noch viel zu sagen!"

© Michael Hansch, Berlin 2020

 

FAMILIE URSPRUNG

DMAO München, 2. Mai 2020, Dreimühlenstrasse 28

Max Ursprung wurde am 9. September 1886 in Traunstein geboren. Er wechselte häufig seinen Wohnsitz und lebte in verschiedenen Städten. Seine letzte Adresse hatte Max Ursprung in der Münchner Dreimühlenstraße 28. Der gelernte Spengler wurde wegen seiner Homosexualität verfolgt. Nach jahrelanger Haft haben ihn die Nationalsozialisten am 14. September 1938 in das Konzentrationslager Dachau verlegt. Im Oktober 1938 überstellte ihn die SS in das Konzentrationslager Flossenbürg, im Juli 1942 wurde er in das Konzentrationslager Stutthof eingewiesen, wo er am 12. Oktober 1942 völlig entkräftet starb. 

Recherche by Stefan Dickas.

 

FAMILIE MICHELS

DMAO München, 2. Mai 2020, Seestrasse 8

Angelika Michels Rooney was willing to come to Munich from the USA this weekend to share with us the story of her grandfather Max Michels. He lived in the Seestrasse 8 and had wonderful life before being deported to Theresienstadt and then to Auschwitz where he was gassed on October 18, 1944.

 

"I am the only grandchild of Max Michels. He was born in 1880 in Maldewin (Pommern) into a large Jewish family. As soon as he was an adult he moved to Berlin where he worked for the Warenhaus Herman Tietz. Around 1912, he moved on to Munich and fell in love with the city and also with my grandmother Anna, from a middle class, conventional Catholic family.
They married in 1914 probably just before Max was called up for service in the First World War. For his exemplary service, he received two Iron Crosses (the honorable World War I one’s) and a number of other medals and commendations, which I have. He came home a hero.
After the War, my grandparents parlayed my grandmother’s contacts in the Munich art world and my grandfather’s sales expertise into an art business. They first owned an art gallery on Karolianplatz, the Max Michels Gallery and later bought an existing gallery, the Georg Stuffler Gallery, which was located in the Park Hotel on Maximillianplatz. They handled museum quality paintings from well-known artists such as Franz Von Stuck and Franz Defregger. In fact, a Von Stuck painting bought from their gallery in the early 1930’s became the nucleus of the foremost German Art Museum in the United States, the Frye Art Museum in Seattle, Washington.
I believe that my grandparents moved into the house in the Seestrasse 8 in the mid to late 1920’s. They lived a good life here and grew their business, their art gallery, into a very successful concern. Many of their friends were artists. My grandmother was painted by Von Stuck and Franz Defregger was my father’s godfather. My father was born in 1919 and grew up in this house. However, everything changed after Hitler came to power. I can only tell you what I know about that time and my grandfather’s life from what I heard from my father and his family. In 1936, my grandfather signed over all his interest in the Gallery to my grandmother, since as a Jew, he could no longer own property. In 1938 my grandparents divorced. My grandmother stated that she was forced to do so because of the political situation. My grandfather must have moved out of this house at that time and he moved in with his youngest sister elsewhere in Munich. He and his sister lived together until they were both transported to the Theresienstadt Concentration Camp in 1942. All that his iron crosses and his status as a hero of the First World War gained him was time. They were on one of the last transports from Munich. In 1944 he was shipped from Theresienstadt to Auschwitz where he was gassed on October 18, 1944.
My father as a half Jewish boy was also in peril. In 1939, his parents were able to get him out of Germany to Shanghai, a last refuge for Jews. My parents met and married there and that is where I was born. We spent the War under the Japanese occupation in the Shanghai Ghetto, known as HongKew, the only Ghetto outside of Europe during the War. In 1948 we emigrated to the United States.
My grandmother lived in this house with her second husband until around 1954. She died in 1958.
My grandfather was a good man, and according to my cousins he was everyone’s favorite uncle, warm and generous. He could roar with laughter and he had a magnificent temper, but it was all bark and no bite. I never met my grandfather, but I know him. I know that he loved a good cigar…I have his cigar cutter, I know that his favorite wine was a white sparkling Italian called Friscatti. I know he loved to fish in the Isar River. I know he would have loved me, my father told me so. He did not deserve to die in the way he did".

© Angelika Michels Rooney

 

FAMILIEN BALDAUF, MICHELS, LÖFFLER

DMAO München, 2. Mai 2020, Seestrasse 8

The families Baldauf, Michels and Löffler lived in the Seestraße 8 (formerly Seestraße 5). Some lost their lives due to the deportation by the Nazis to death camps and others managed to flee at the very last moment. Terry Swartzberg from the Stolpersteine für München remembers these families in front of the house; thanks to the support of the current owner.
“There is a Jewish say, if you save a person, you save an entire world. And I believe, if you remember a person, you are remembering a world”.
© Terry Swartzberg

In der heutigen Seestraße 8 (vormals Seestraße 5) lebten die Familien Baldauf, Michels, Löffler, die infolge des Naziterrors ihr Leben lassen mussten oder gerade noch rechtzeitig flohen. Terry Swartzberg von der Stolpersteine Initiative für München e.V erinnert an diese Familien vor dem Haus; dank der Unterstützung der jetzigen Eigentümer.
„Es gibt ein jüdisches Sprichwort: Wenn Sie eine Person retten, retten Sie eine ganze Welt. Und ich glaube, wenn Sie sich an eine Person erinnern, erinnern Sie sich an eine Welt. “
© Terry Swartzberg

 

https://de-de.facebook.com/denkmalamort/videos/260131988448379/

 

FAMILIEN der Baaderstrasse 15

DMAO München, 2. Mai 2020, Baaderstrasse 15

Die Autorin Inge Löhnig & Ellen Sandberg - Autorin hätte zusammen mit den heutigen Hausbewohnern mit einer Lesung an die Familien in der Baaderstrasse 15 erinnert. Welche interessante Verbindung sie zu dem Thema hat, erzählt sie im Video.
Allein in dieser Adresse haben vier verschiedene jüdische Familien gelebt: Benjamin und Scheindel Altmann und ihre Kinder, Hermine und Lina Bacher, Joseph & Jeanette Berger und ihre Kinder und Jakob und Samuel Schwab. Die Baaderstrasse war auch Mittelpunkt des 'Jüdisches Leben' in München und ist eng mit der historischen Entwicklung der Münchner jüdischen Gemeinde verbunden.
“Durch eine Freundin sind wir auf die Initiative DENK MAL AM ORT gestoßen. Wir wohnen seit über 25 Jahren in unserem Haus. Es liegt im ehemaligen jüdischen Viertel und erst letztes Jahr kam immer stärker mein Wunsch zu erfahren was für eine Geschichte unser Haus mit seinen vielen Bewohnern in der NS-Zeit durchgemacht hat.
Wir haben die gleiche Haustür, den gleichen Treppenaufgang, die gleiche Adresse - doch ist unser Leben ein völlig Anderes. Ich begann zu recherchieren und konnte zwischen 10-14 Personen namentlich ausmachen, die teilweise direkt von hier deportiert wurden oder aber zwischenzeitlich hier wohnten und dann in Konzentrationslager überführt wurden.
Diese Namen zu lesen und dabei ein Schicksal zu jeder Person nachzuempfinden hat uns so berührt, dass wir sehr gerne unsere Wohnung öffnen würden, um die Möglichkeit an ein gemeinsames Andenken wahr werden zu lassen. In unsicheren und wechselvollen Zeiten wie diesen, ist es umso wichtiger, das wir uns klar positionieren. Somit wäre es wunderbar, vielleicht noch Nachfahren der ehemaligen Mitbewohner ausfindig zu machen, und ein gemeinsames Treffen und Aufarbeiten zu ermöglichen. Sie sind herzlich willkommen.”

Jüdische Kaufhäuser

DMAO München, 2. Mai 2020, Führung durch ehemals jüdische Kaufhäuser in München

Die meisten Kauf- und Warenhäuser, die über viele Jahrzehnte das Münchner Geschäftsleben prägten und die Versorgung der Bevölkerung mit Gebrauchs- wie Luxusgütern sicherten, wurden erst viel später und oft zu skandalösen Bedingungen veräußert. Wie das genau ablief, erzählt Historikerin und Autorin Heidi Rehn bei einer Führung durch die Münchener Kaufhäuser. 

Beginnend am ehemaligen Textilhaus von den Guttmans führt der Spaziergang mit der Historikerin und Romanautorin Heidi Rehn entlang der großen, ehemals jüdischen Kauf- und Warenhäuser Hermann Tietz (heute Karstadt), Oberpollinger, Bamberger & Hertz (Hirmer), Isidor Bach (Konen) und Kaufhaus Uhlfelder von der Lindwurmstrasse 205 durch den Bahnhofsplatz, die Neuhauser- und Kaufingerstraße bis zum Rosental.

 

 

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FAMILIE GUTMAN

DMAO München, 2. Mai 2020, Lindwurmstrasse 205, Textilhaus Gutman

Emanuel Gutman kam in 1893 mit 20 Jahren aus Gemmingen nach München. Sofie Marx kam 1901 mit 23 Jahren aus Heilbronn. 1905, bereits verheiratet, ausgestattet mit Münchner Heimat- und Bürgerrechten, kauften Sofie und Emanuel Gutman 1910 die Lindwurmstraße 205 und eröffneten im Mai 1912 ihr Kaufhaus Gutman mit Kurz- Weiß- und Wollwaren. Das „Kaufhaus Gutman“ in Sendling wechselte zum 1. April 1934 in arischen Besitz. Emanual Gutman wird verhaftet, in das KZ Dachau verschleppt und unter Erpressung - nach dem Geschäft auch das Gebäude abzugeben – wieder freigelassen. Er kam – lt. eidesstattlicher Erklärung im Rahmen des sog. Wiedergutmachungsverfahrens - todsterbens-krank aus Dachau zurück. Am 23. Juni 1942 Sofie und Emanuel Gutman werden in das KZ Theresienstadt deportiert. Emanuel Gutman wurde im Oktober 1943 ermordet; er was 70 Jahre alt. Sofie Gutman wurde im Oktober 1944 ermordet; sie war 66 Jahre alt.

“Im Rahmen der Renovierungsarbeiten in unserem Haus entdeckten wir in den Bauakten der Münchner Lokalbau-Kommission den Hinweis: " dem Juden Gutmann gehörig" und darunter einen Stempel mit einem Hakenkreuz und dem Schriftzug "München - Hauptstadt der Bewegung". Da ahnten wir, dass hier in unserem Haus großes Unrecht geschehen ist. Die weitere Recherche durch die Initiative Lernorte Sendling brachte die traurige Gewissheit, dass die früheren Eigentümer Sophie und Emanuel Gutmann von den Nationalsozialisten entrechtet und ermordet worden waren. Diese schreckliche Wahrheit wollten wir nicht wieder in der Schublade verschwinden lassen, zum Gedenken haben wir zwei Stolpersteine für München für die beiden verlegen lassen”.

© heutige Bewohner