JOHANNA TESCH

Eine Erinnerung an Johanna Tesch von Dieter Wesp

Die frühere SPD-Reichstagsabgeordnete Johanna Tesch wird 1944 verhaftet, ins Gefängnis gesperrt und in das KZ Ravensbrück deportiert, wo sie stirbt. Die Briefe, die ihr Ehemann Richard in dieser Zeit an sie schreibt sind persönlich berührende Dokumente.

2020 wurde der vollständige Briefwechsel erstmals als Buch und als E-Book veröffentlicht.

Briefwechsel Johanna Tesch

1909 - 1945

Dokumentation

Herausgegeben von

Verein für Frankfurter Arbeitergeschichte e.V. und Sonja Tesch

Frankfurt am Main, 2020

Johanna Carillon wird 1875 in Frankfurt am Main geboren. Sie heiratet 1899 den Schneider Richard Tesch, den sie in der Schneiderwerkstatt ihres Vaters kennenlernte. Sie bringt den 1896 geborenen Sohn Friedrich, genannt Friedel, dessen Vater jung an Schwindsucht gestorben ist, mit in diese Ehe. Das Paar bekommt zwei weitere Söhne, 1899 Wilhelm, genannt Busch und 1902 Carl, genannt Carlemann. Das Ehepaar ist politisch aktiv. Er ist Mitglied der SPD und arbeitet nicht mehr als Schneider, sondern als Expedient der sozialdemokratischen Zeitung „Volksstimme“. Sie gründet in Frankfurt mehrere Vereinigungen, die sich um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Bezahlung weiblicher Hausangestellter kümmern. Als Johanna Tesch zum Januar 1909 in die SPD eintritt – bis 1908 war in Preußen Frauen die Mitgliedschaft in Parteien und politischen Vereinen untersagt – wird als Eintrittsdatum das Jahr 1902 eingetragen und so ihr bisheriges Engagement anerkannt. 1919 gehört Johanna Tesch als Abgeordnete der SPD für den Wahlkreis Hessen-Nassau zu den ersten 37 Frauen, die in die Nationalversammlung in Weimar einziehen. Von 1920 bis 1924 ist sie Mitglied des Reichstages. In dieser Zeit wechselt das Ehepaar ca. 300 Briefe und Postkarten, die sich als handschriftliche Originale im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main befinden. Sie ist weiterhin politisch aktiv, unternimmt Agitationsreisen für die SPD. Sie kandidiert nochmals 1928 und 1930 für den Reichstag, erringt aber, da auf hinteren Listenplätzen platziert, kein erneutes Mandat. Bis 1933 ist sie Vorstandsmitglied der SPD in Frankfurt am Main.

Richard und Johanna Tesch am Fenster ihrer Wohnung in der Max-Hirsch-Straße 32 (heute Am alten Volkshaus 1) in Frankfurt-Riederwald. Hier wird Johanna Tesch im August 1944 verhaftet (c) Privatarchiv Sonja Tesch

Über die politischen Aktivitäten Johanna Teschs nach 1933 ist wenig bekannt. Sie besucht 1937 und 1938 zweimal für einige Wochen ihren Sohn Carl Tesch, der Mitglied einer im Untergrund arbeitenden Widerstandsgruppe war, die die Exilzeitung der SPD verteilten und der nach der Enttarnung 1935 noch in die Schweiz fliehen konnte. Paul Müller, ebenfalls Emigrant in der Schweiz, wertet diese Kontakte und Briefwechsel über Deckadressen als illegale Arbeit, die Enkelin Sonja Tesch hält dagegen dies für eine Legende.

Johanna und Richard Tesch, 1942 (C) Privatarchiv Sonja Tesch

Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 wird sie im Rahmen der „Aktion Gitter“ am 22. August festgenommen, ins Untersuchungsgefängnis Klapperfeld in Frankfurt gesperrt und im Gestapohauptquartier in der Lindenstraße verhört. Sie gehört zu den 120 Personen, die alleine in Frankfurt am Main festgenommen wurden, reichsweit werden in der Aktion Gitter 6.000 Menschen verhaftet. Von Frankfurt am Main wird sie am 18. September 1944 in das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück eingewiesen und stirbt dort an Hunger und Entkräftung am 13. März 1945.

Richard Tesch schreibt mehrere Briefe an seine Frau, zunächst in die Untersuchungshaft in Frankfurt und dann auch an das Konzentrationslager. Die von ihm selbst angefertigten handschriftlichen Abschriften dieser Briefe haben sich erhalten und befinden sich heute im privaten Besitz der Enkelin Sonja Tesch in Hamburg, einzelne der Briefe als Dubletten auch im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main.

Brief von Richard Tesch an Johanna Tesch(c) Privatarchiv Sonja Tesch